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Nachstehende Kurzübersicht basiert
auf der Vorstellung einiger unserer Drehorgeln im Gesprächskreis Philosophie der VHS Ergoldsbach durch Christa Bienek-Erfurth im Jahr 2001.
Bei dieser Veranstaltung des Arbeitskreises drehte sich alles um die Drehorgel, auch oft als Leierkasten bezeichnet. Dieses bereits mehrere Jahrhunderte alte
Instrument ist die kleine und agile Schwester der großen Orgeln und erzeugt ihre Musik auf die gleiche Weise über Orgelpfeifen und Blasebalg.
Während der normale Organist die für die Tonerzeugung notwendigen Ventile der Orgelpfeifen über seine Manuale betätigt, sind bei der Drehorgel die Ventilsteuerung und
damit die Melodien auf Walzen, Notenbändern oder sogar auf elektronischen Speichern fest abgelegt. Durch Drehen der Kurbel werden der Blasebalg betätigt und die Ventile entsprechend geöffnet, die Melodien erklingen. Da der
Drehorganist somit weit weniger Einfluss auf die Musik hat als der virtuose Organist, zählen die Drehorgeln zu den mechanischen Musikinstrumenten.
Bis in die zwanziger Jahre des gerade vergangenen Jahrhunderts gehörten Drehorgeln zum alltäglichen
Straßenbild, verschwanden dann aber immer mehr – wohl vor allem wegen des Aufkommens der Grammophone als Musikwiedergabe. Seit den 70er Jahren kann allerdings eine Wiederentdeckung dieser
edlen, traditionellen Instrumente beobachtet werden. Heute sind sie vor allem auf den immer zahlreicher werdenden Drehorgelfesten zu bewundern.
Sowohl die alten als auch die heute gefertigten Instrumente sind handwerklich und künstlerisch ausgefeilte
Kostbarkeiten, für die die Drehorgelspieler kräftig investieren dürfen. Mit Bettelinstrumenten haben diese nichts zu tun sondern sind eine Wertanlage, die noch zusätzlich viel Freude bringt.
1 Einleitung
Die Drehorgel ist ein mechanisches, also „selbsttätiges“ Musikinstrument, und zunächst eine handwerkliche Leistung, das gemeinsame Produkt von Schreiner,
Orgelbauer, Feinmechaniker, Kunsthandwerker und - natürlich dem Arrangeur, dem Musiker, der nicht Musik "erfinden", aber geeignete Musik für die Drehorgel herrichten
muss. Durch Drehen einer Kurbel werden der Blasebalg betätigt und die Ventile der Pfeifen entsprechend einer festen Steuerung (Walze, Notenband oder Mikrochip) geöffnet.
2 Geschichte
2.1 Mechanische Musikinstrumente
Man weiß, dass schon 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung Konfuzius von einer chinesischen Nachtigall berichtet, einem mechanischen Singvogel, der mit einem
orgelähnlichen Gerät Vogelstimmen nachahmte. Ein ähnliches Instrument sollen die alten Perser gekannt haben. Das Prinzip, damals wie heute, ist immer das gleiche:
Eine Darstellung von musikalischen Abläufen - und sei es das Gezwitscher einer Nachtigall -, die von der persönlichen Deutung oder musikalischen Begabung und dem
Zufall der stimmlichen Fähigkeiten eines "Musikers" unabhängig und dennoch in einer konstanten Qualität jederzeit verfügbar ist.
2.2 Serinette (Vogelorgel)
Unter dem Stichwort "Canarienorgel" taucht diese z.B. 1742 in einem gängigen Gesellschaftslexikon (von
Valentin Trichter) auf. Die Vogel-Orgel, auch als Serinette bezeichnet, war ein Instrument, um - zum Beispiel -
Kanarienvögeln das "kultivierte" Singen beizubringen, eine Freizeitbeschäftigung, bei der sich vor allem die Franzosen hervorgetan haben sollen.
2.3 Drehorgel
Die Herkunft der Drehorgel verliert sich im Dunkel der Geschichte. Das hängt damit zusammen, dass man sie immer als ein Instrument der kleinen Leute, der Hinterhöfe und
der Asozialenszene der sogenannten guten alten Zeit verstand. Und darüber redete man nicht. Dennoch feierte die Drehorgel in Deutschland vor wenigen Jahren sogar einen
richtigen Geburtstag. 1990 in Berlin. Da sollte sie 200 Jahre alt geworden sein. Und nicht nur, damit die Deutsche Bundespost eine recht hübsche Briefmarke herausbringen konnte,
die es dann aber nur in Berlin gab. Das hängt vielmehr mit dem Datum des Beginns einer ersten handwerklich-industriellen Fertigung von Drehorgeln in Preußen unter Friedrich
Wilhelm II (1786-1797), einem Großneffen Friedrichs des Großen, zusammen.
Solche Manufakturen sollen sich in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts auch für den Drehorgelbau organisiert haben. Die erste vielleicht wirklich um 1790.
In der Sammlung von Antiquitäten von Athanasius Kircher (1601 - 1680), der die Laterna magica erfunden
haben soll (ein gewissermaßen mechanisches Theater, das mit Hilfe eines Hohlspiegels ein Bild, meist Schattenbild mit starken Konturen statt auf eine Wand in eine künstlich erzeugte Rauchwolke projizierte und so
die Illusion von beweglichen Bildern, also einer Art Handlung erzeugte, einen Stummfilm aus ganz wenigen
Bildern.), soll sich in der Abteilung "musikalische Instrumente und Maschinen" auch eine Drehorgel befunden
haben, eine Orgel mit einer Walze, die durch eine Handkurbel in Bewegung gesetzt wurde, das alles in feinem Kirchenlatein beschrieben. Die Beschreibung stammt aus dem Jahre 1709. Kann sein, dass dies die
Geburtsurkunde der Drehorgel ist.
Der erste Drehorgelbauer, der in Deutschland namentlich erwähnt wird, gehörte zur berühmten Orgelbauerfamilie Silbermann. Das war Daniel Silbermann
, ein Neffe des "Königs der Orgelbauer", Gottfried Silbermann. Auf den Neffen Daniel gibt es einen Nachruf in den "Wöchentlichen Nachrichten und Anmerkungen
die Musik betreffend" von 1758. Darin wird an den "Churfürstlich Sächsischen Hof Commissarius und
Hoforgelbauer" Daniel Silbermann erinnert und seine Arbeit gewürdigt: Seit einigen Jahren habe er sich "außer
der Aufsicht über die neue Dresdner Orgel, meistenstheils mit Verfertigung allerley künstlicher Drehe-Orgeln" beschäftigt.
Es gibt die Drehorgeln als Umhängeorgeln (Bauchorgeln), Straßenorgeln und Konzert-, Karussel- oder Kirmesorgeln.
Die Hochzeit der Drehorgeln ging bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkt der Fabrikation in Waldkirch und Berlin.
Nach einer Zeit, in der die Orgeln lieblos behandelt, teilweise zerstört und auch vergessen worden sind, begann
in den siebziger Jahren eine Renaissance der Orgeln, nachdem sich Sammler und auch Orgelbauer derselben angenommen hatten. Die neuen Orgeln waren meist Notenbandorgeln (Hofbauer, später auch andere), in
jüngerer Zeit (ab Anfang der 80er Jahre) kommt die elektronische Speicherung auf Mikrochips hinzu (anfangs Hofbauer, dann auch Deleika und nun Raffin).
2.4 Tanzbär
Eine Variante der mechanischen Spielinstrumente und eigenständiges Musikinstrument ist der „Tanzbär“, ein
selbstspielendes Akkordeon, das häufig mit den gleichen Notenbandrollen oder auch Mikroboxen gesteuert werden kann. Auch hier werden die Töne durch die Luft, die die Zungen zum Schwingen bringt, wie bei den
normalen Akkordeons auch, erzeugt.Den Tanzbären gibt es nun auch schon fast hundert Jahre und er wurde damals von der Leipziger Firma Zuleger berühmt gemacht. Heute werden diese z.B. von Blüml, Hofbauer und
Watterott mit jeweils unterschiedlichen Techniken hergestellt.
Nicht zu verwechseln ist dieses Instrument mit solchen Pseudoinstrumenten, bei denen die Musik über
eingebaute Verstärker von einem Musikabspielgerät kommt. Auch bei “Drehorgeln” gibt es entsprechende Attrappen, wo die Musik nicht von den Pfeifen oder Zungen sondern von Kassettenrekordern oder CD-Spielern
stammt. Diese “Schaustücke” wollen wir nicht betrachten, da sie mit mechanischen Musikinstrumenten nichts zu tun haben.
3 Einsatzbereiche
3.1 Kirche
Vor allem in England wurde die Drehorgel auch als Kircheninstrument eingesetzt. Diese wurden vor allem in
kleinen Dorfkirchen in Süd- und Ostengland verwendet, eine Übersicht zählt 558 Orte in 50 Grafschaften auf (2, S. 66), auch in 12 Londoner Kirchen war sie zu finden (1, S. 135). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
setzte das „Sterben“ der Orgeln ein, die häufig zu normalen Orgeln umgebaut wurden.
In Deutschland hat es nur wenige Einsätze gegeben, eine Tochter des Orgelbauers Kummer hat ca. 1821 deren Einführung relativ erfolglos betrieben (vgl. 2, S. 24 ff).
3.2 Lumpeninstrument
In jeder einzelnen Drehorgel stecken viele tausend Arbeitsstunden. Das hat die Drehorgel - immer schon - zu einem relativ teuren Gerät gemacht, das denen, die
von der Musik der Drehorgel leben wollten, meistens gar nicht selbst gehörte. Sie wurden, übrigens dort, wo man mit der Drehorgel betteln ging, meistens von den
Herstellern ausgeliehen. Nicht an jeden. Dafür gab es, zum Beispiel im alten Berlin, gewisse ordnungspolizeiliche Regeln, manchmal auch Eignungsprüfungen.
Eine Drehorgel aus Waldkirch, einem bedeutenden Produktionsort bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts, kostete um die Jahrhundertwende etwa
650 Mark, dazu kam die "Musik", die gespeicherte Musik selbst, die extra kostete. Ein Arbeiter in den Orgelbauwerkstätten selbst verdiente bei einem
zehnstündigen Arbeitstag stolze 3,70 Mark. Am ganzen Tag! Dafür konnte er zehn Pfund Mehl kaufen oder etwas mehr als drei Pfund Butter - aber nie im
Leben eine Drehorgel. Das waren die Drehorgeln in Waldkirch. Die "berühmten" Berliner Drehorgeln von Bacigalupo kosteten damals schon um die Hälfte mehr. Nichts für kleine Leute: Nur die Musik.
War der Drehorgelspieler früher auch musikalischer Unterhalter, Nachrichtenübermittler und Meinungsbildner (Bänkelsänger), so wurde später
das Drehorgeln zur staatlich abgesicherten Einnahmequelle von Kriegsinvaliden (Österreich: Werkelmänner, Kaiserin Maria Theresia, dann auch in Preußen, 5 S. 104).
Die Drehorgelspieler nahmen teilweise überhand, die Instrumente waren häufig nicht gewartet. Daher sind einige abwertende Kommentare überliefert:
„Es gibt große und kleine Drehorgeln, häufig zur Folter für musikalische Ohren geschaffen“ (Musikalisches Wörterbuch, 1829 – 1, S. 93).
4 Hersteller
4.1 Historische Hersteller (Auszug)
Luigi Bacigalupo, Berlin
Bacigalupo Söhne, Berlin
Frati, Berlin
Ignaz Bruder, Waldkirch (1834) und Nachfolger
Carl Frei, Waldkirch
Ruth und Sohn, Waldkirch (Konzertorgeln)
Adolf Holl, Berlin
Wenzel Hrubesch, Prag
Gavioli, Paris
...
4.2 Aktuelle Hersteller (Auszug)
Hofbauer, Göttingen
Deleika, Dinkelsbühl - Waldeck
Raffin, Überlingen
Jäger & Brommer, Waldkirch
Stüber, Berlin
Schlemmer, Balingen-Weilstetten
Schmider, Hausach
Blüml, Zacherlhof, Grassau
Gilbert Watterott, Hausen, Thüringen
...
5 Technik
Das wichtigste an der Drehorgel ist das Orgelwerk mit den Pfeifen, dem durch die Handkurbel bewegten
Blasebalg, den Kipphebeln oder der Spieltraktur und natürlich dem Liedspeicher, dem Programmträger, der die Musik erst möglich macht.
5.1 Walze
Für die Musikspeicherung diente früher eine Walze. Das ist ein aus Pappelholz geschnittener Zylinder, die
Stiftwalze, in die Stifte und Bögen aus Messingdraht geschlagen wurden. Die öffnen und schließen die Kipphebel der Pfeifen in der Bewegung der Kurbel und dem damit erzeugten Wind des Blasebalgs. Ein
mühsames, zu allen Zeiten schlecht bezahltes Geschäft, das vielfach von Frauen in Heimarbeit besorgt wurde.
5.2 Notenband
Im Jahre 1885 führte die französische Orgelbaufirma Gavioli, die seit 1886 auch in Waldkirch niedergelassen war, Kartonnotenbänder als Digitalspeicher ein. Das sind
Programmträger, die den Musikbefehl - pfeifen oder nicht-pfeifen - durch eine mechanisch lesbare Lochkarte steuern. Und ein paar Jahre später (1900) kamen die
ebenfalls in Waldkirch tätigen Orgelbaufirmen Ruth und Sohn und Gebrüder Bruder auf das pneumatisch, also luftgesteuerte Notenband. Weil man diese neuen
Datenträger leicht auswechseln konnte - es waren ja nur gestanzte Papierrollen - wurde die Musikauswahl erheblich erweitert. Die "klassische" Orgel aber blieb lange die Walzenorgel.
Heute sind die Notenbandorgeln die verbreitetsten. Mancher Hersteller (z.B. Schmider) hat durch eine geschickte Papierführung auch die Nutzung von
Endlos”rollen” eingeführt, allerdings mit dem Nachteil, dass ein Wechsel der Rollen nur aufwendig möglich ist. Daher hat sich dies nicht in der Breite durchsetzen können.
Die Steuerung der Ventile bei Notenbändern (und auch Faltkartons) erfolgt pneumatisch, d. h. ein Teil der
erzeugten Luft aus dem Blasebalg wird für das Öffnen und Schließen der Ventile anhand der Löcher in den Papierstreifen verbraucht. Dabei werden grundsätzlich zwei unterschiedliche Steuerungstypen auch heute noch
von den Herstellern eingesetzt, und zwar arbeiten die einen mit Unterdruck, die anderen mit Überdruck. Diese können leicht unterschieden werden, wenn man überprüft, ob die Notenführung und die Notenrollen luftdicht
abgeschlossen werden müssen (z. B. bei Schlemmer) oder frei zugänglich bleiben (z. B. bei Raffin und Deleika).
Wenn auch die Notenrollen der verschiedenen Hersteller ähnlich aussehen, so unterscheiden sie sich
manchmal im Abstand und der Größe der Löcher. Auch die Führungsträger der Rollen sind nicht immer einheitlich:
  
Auf dem linken Bild sehen Sie eine Notenrolle für Raffin 31und 20er-Rollen für Göckel, Deleika/Raffin, Hofbauer
sowie daneben die unterschiedlichen Rollenführungen für die 20er-Orgeln (in gleicher Reihenfolge).
5.3 Faltkarton
Vor allem bei den großen Straßen- und Kirmesorgeln werden anstelle von Notenbändern zusammenhängende
Kartonpakete für die Steuerung eingesetzt. Diese sind wie ein Leporello gefaltet und werden von einer Seite der Orgel über den Steuerblock auf die andere befördert, wo sie sich wieder zusammenfalten. Nach dem Ende
des Stücks müssen diese nicht wie bei den Notenrollen zurückgespult werden sondern können einfach umgedreht wieder abgelegt werden. Nachteil dieser Methode ist allerdings der große Platzbedarf für die
Kartonpakete. Manche Hersteller haben diese Form der Notenträger auch für kleinere Drehorgeln eingesetzt.
5.4 Microchip
Den weiteren Durchbruch zur musikalischen Vielfalt des heutigen Anspruchs schaffte schließlich erst in unseren
Tagen der Microchip als Datenspeicher. Die Funktionen - Klappe auf, Klappe zu bei den Orgelpfeifen - ist völlig
unverändert. Neu dagegen ist das "Fassungsvermögen" dieser Art von „Walze“. Sie speichert nicht nur jene
20.000 "Befehle" der Stiftwalze oder auch - beim Notenband - ein Mehrfaches davon, wenn man nur genügend Notenbänder bei sich hat, sondern Hunderte von Millionen solcher Daten. Und das auf denkbar kleinstem
Raum. Die Ventilbetätigung erfolgt elektromechanisch über Magnete.
Wegen der ungeheuer flexiblen Musikversorgung gehen auch bisher eingefleischte “Gegner” dieser modernen
Technik dazu über, diese zumindest zusätzlich anzubieten. Immer häufiger findet man daher in derselben Orgel beide Techniken zusammen eingebaut, die Nutzung der Steuerungsart kann dann nach den Gegebenheiten frei
gewählt werden.
Basis der Musikstücke ist heute das genormte Midiformat, das auch für die automatisierte
Notenbandherstellung eingesetzt wird. Bei der elektronischen Speicherung entfällt aber anschließend die aufwendige, teure und platzbedürftige Umsetzung in das Papierformat. Der erzeugte Klang unterscheidet sich
dagegen nicht, ob er pneumatisch oder elektromechanisch gesteuert wird, da bei beiden Arten die Windlade-Ventile sich öffnen und schließen und die tonerzeugende Luft aus den selben Pfeifen strömt.
Allerdings haben die elektromechanisch gesteuerten Orgeln in der Reaktionsgeschwindigkeit der Ventile und in der zur Tonerzeugung verfügbaren Luft aus dem Blasebalg Vorteile aufzuweisen.
5.5 Pfeifen
Die für die Tonerzeugung notwendigen Pfeifen sind teils aus Holz, andere auch aus Metall gemacht. Es werden
ähnlich wie bei den großen Orgeln unterschiedliche Arten eingesetzt.
Eine Abart sind Zungenorgeln (Melotonorgeln), deren Tonerzeugung nicht über Pfeifen sondern über Metallplättchen wie bei Mundharmonikas und Akkordeons erfolgt.
5.6 Tonstufen
Mit Tonstufen oder Claves werden die unterschiedlichen ansteuerbaren Noten bezeichnet, ähnlich wie Tasten
am Klavier unterschiedliche Tonhöhen erzeugen. Die Anzahl der Pfeifen muss mindestens so hoch sein wie die der Tonstufen, kann aber auch deutlich darüber liegen. Bei den Notenbandorgeln erkennt man die Anzahl der
Tonstufen, in dem man die Anzahl der Löcher im Steuerblock zählt.
Die meist vertretenen Tonstufen sind die 20er und 31er. Darüberhinaus gibt es 16er, 24er, 26er, 33er, 37er und
so weiter. Dabei ist zu beachten, dass das Notenmaterial für die nicht so gebräuchlichen Tonstufen oft nur spärlich vorhanden und schwer zu beschaffen ist. Die mit Abstand größte Zahl von Notenrollen gibt es für die
20er Orgeln. Je größer die Anzahl der Tonstufen, desto breiter werden die Notenbandrollen, da jede Note eine Lochspur benötigt.
Je geringer die Anzahl der Tonstufen ist, desto schwieriger ist das Arrangement der Melodien, da diese eben
nur eine geringe Notenzahl zulassen. Oft behelfen sich die Arrangeure dann damit, dass fehlende Noten durch Triller umspielt werden. Dies geht manchmal so weit, dass die Ursprungsmelodie kaum mehr erkennbar ist.
5.7 Register
Bei den aufwendigeren Orgeln gibt es meist mehr Pfeifen als Tonstufen. Dabei gibt es (in der Regel für die
Melodiestimmen) mehrere Pfeifenreihen mit denselben Noten aber anderem Klang (z.B. Trompeten anstelle Violinpfeifen). Manchmal spielen die Pfeifenreihen immer gemeinsam, häufig wenn diese auf Schwebung (d.h.
minimal zueinander verstimmt) ausgelegt sind (z.B. bei Deleika 20/31).
Besonders interessant sind die Orgeln, bei denen die einzelnen Pfeifenreihen (Register) durch Registerzüge
ein- und ausgeschaltet werden können. Dadurch wird das Spiel weit abwechslungsreicher und die Lautstärke und der Klang kann jeweils an die Umgebung besser angepast werden. Bei manchen Orgeln (wie z.B. bei
Raffin) werden auf den Notenrollen oder in der Elektronik Hinweise für die empfohlene Nutzung der jeweiligen Register gegeben. Das Prinzip der Registerzüge kennen wir auch bestens von den großen Schwestern unserer
Orgeln, nämlich den Kirchenorgeln.
6 Komponisten
„Am meisten von allen Instrumenten wird die Drehorgel gespielt, denn das erfordert lediglich ein regelmäßiges Drehen der Kurbel. Aus diesem Grund ist es
ein Instrument zu wirklich allgemeiner Verwendung; und die jüngste Verbesserung durch einige englische Hersteller hat bewirkt, daß die Drehorgel fähig ist, eine Leistung zu geben, die den Fingern erstklassiger ausübender
Künstler gleichkommt.“ ( so der englische Komponist Charles Burney in seiner Musikgeschichte von 1776) (3, S. 79).
Barock und Klassik hatten eine gewisse Schwäche für die "kleine Schwester"
der Kirchenorgel, der "Königin der Instrumente". Joseph Haydn, natürlich Mozart und Carl Philipp Emanuel Bach schrieben eigens Musikstücke für
"selbstspielende Orgelwerke". Später auch Richard Wagner und Franz Liszt. Beethoven, weiß man, soll fasziniert einem Drehorgelspieler gelauscht und sich
vielleicht ein bisschen scherzhaft gewünscht haben, seine Musiker einmal so "akkurat" spielen zu hören...
7 Veranstaltungen
Heute sind Drehorgeln vereinzelt in Altstädten oder Künstlermärkten, vor allem aber bei Drehorgelfestivals zu bewundern und zu hören.
So findet in Landshut zur Frühjahrsdult jeweils ein Drehorgelfest statt, das Herr Maierhofer organisiert.
Bild vom Drehorgeltreffen der Stadt Bruneck, Südtirol, 2003, mit Josef und Theresia Raffin aus Überlingen,
Josef Demichel aus Bruneck, Jeanette und Peter Biermann aus dem Schwarzwald, Burgi und Florian Erlacher aus Partschins, Giuseppe Cecchin aus Feltre, dem Gredbänk G’sangl Angelika Rinkl und Carmen Pirkl aus
Neukirchen im Bayerischen Wald, Rudi Weidinger aus Pfarrkirchen, Christa Bienek-Erfurth und Hans-Jürgen Erfurth aus Ergoldsbach.
8 Anekdoten
Richard Wagner (4, S. 45) „Schüler von Richard Wagner“
Yehudi Menuhin (amerikanischer Geiger und Dirigent) gibt einem Drehorgelspieler seinen Obolus mit den
Worten: „Wir Musiker müssen zusammenhalten“ (in den 30er Jahren) (1, S. 11).
9 Vereine
Club Deutscher Drehorgelfreunde e.V. (CDD)
Gesellschaft für selbstspielende Musikinstrumente e.V. (GSM)
Internationale Drehorgelfreunde Berlin e.V.
Kring van Draaiorgelvrienden (KDV), Niederlande (gegr. 1954)
10 Museen (Auszug)
Deutsches Museum München, Abt. Mechanische Musik
Münchner Stadtmuseum
Musikinstrumenten-Museum, Preußischer Kulturbesitz, Berlin
Musikinstrumenten-Museum Leipzig
Argentinisches Drehorgelmuseum, La Salvia
Weitere Ausstellungen in zahlreichen staatlichen und privaten Museen
11 Literatur (Auszug)
1. Drehorgeln, Helmut Zeraschi, Koehler Amelang (VOB), Leipzig, 1976
2. Die Drehorgel in der Kirche, Helmut Zeraschi, Sanssouci Verlag, Zürich, 1973
3. Mechanische Musikinstrumente, Alexander Buchner, Verlag Werner Dausien, Hanau, 1992
4. Der Leierkasten in Wort, Bild und Ton, Klaus Krug, Internationale Drehorgelfreunde Berlin, 1997
5. Der Leierkasten, Dietmar Jarofke, Verlag Wort- & Bild-Specials, Berlin, 1991
6. Waldkircher Dreh- und Jahrmarkt-Orgeln, Herbert Jüttemann, Waldkircher Verlag 1993
7. Waldkircher Orgelbauer, Hermannn Rambach, Otto Wernet, Waldkircher Verlag 1984
8. Drehorgeln Schaurig-Schön, Ausstellungskatalog Schloss Bruchsal, Info Verlagsges. 1994
9. Alles andere als Alltag. Die heitere Welt der mechanischen Musik, Ullrich Wimmer, M. Galunder Verl. 2000
10. Engros-Preisliste über Musikwerke 1901
11. Zahlreiche Internet-Seiten
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