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Karl Popper (1902 - 1994) Popper, Sir (seit 1964) Karl Raimund, Philosoph, * Wien 28.7.1902, war 1947 - 69 Prof. in London; P.s Denken entfaltete sich in kritischer Auseinandersetzung mit dem logischen Positivismus des >Wiener Kreises<. Seine Kritik an der traditionellen Induktions- und Definitionstheorie, an der BeÂschränkung der Philosophie auf die sprachanalytische Methode und an den theoretisch verallgeÂmeinernden Sozialwissenschaften gründen in einer allgemeinen wissenschaftstheoretischen MethoÂdenlehre. P. versteht dies als >kritischen Rationalismus<, zu dessen Hauptmomenten das logische Prinzip der permanenten Fehlerkorrektur (Falsifikation) im Bereich der Theorienbildung gehört. HierÂaus folgt auch P.s Kritik an allen Formen des >Historizismus<, nach dem der weltgeschichtl. Ablauf absoluten Gesetzen unterliegt, sowie an allen Sozialutopien und Geschichtsprophetien seit Heraklit, Plato, Hegel und Marx. Demgegenüber fordert er die vernünftige Planung sozialen Wandels durch eine >Stückwerk-Sozialtechnik<, deren Erkenntnissen allein die >offene<, durch rationale Reformen veränderbare, mobile Gesellschaft entsprechen könne. Dieser gesellschaftstheoretische Standpunkt brachte P. in scharfen Gegensatz zu den Vertretern der >Frankfurter Schule< (Positivismusstreit, ® Positivismus). Brockhaus Enzyklopädie, Band 14, 17. Auflage (1972) Hawking über Physik und Wirklichkeit: Diese Vorträge haben sehr deutlich den Unterschied zwischen Roger (Penrose) und mir gezeigt. Er ist Platonist, und ich bin Positivist. Er macht sich Sorgen darüber, daß Schrödingers Katze sich in einem Quantenzustand befindet, in dem sie halb lebendig und halb tot ist. Das kann in seinen Augen nicht der Wirklichkeit entsprechen. Doch mir macht das nichts aus. Ich verlange nicht, daß eine Theorie mit der Wirklichkeit übereinstimmt, denn ich weiß gar nicht, was das ist. Wirklichkeit ist keine EigenÂschaft, die man mit Lackmuspapier testen kann. Mich interessiert nur, ob die Theorie die Ergebnisse von Messungen vorhersagt. Die Quantentheorie leistet dies sehr erfolgreich....
Penrose über Physik und Wirklichkeit: Die Quantenmechanik gibt es erst seit 75 Jahren. Im Vergleich zu Newtons Gravitationstheorie ist das eine recht kurze Zeit. Es würde mich darum nicht wundern, wenn die Quantenmechanik für ausgeÂsprochen makroskopische Objekte modifiziert werden muß. Zu Beginn dieser Debatte sagte Stephen, daß er sich für einen Positivisten hält und mich für einen Platonisten. Von mir aus mag er ein Positivist sein, aber für den entscheidenden Punkt halte ich, daß ich ein Realist bin. Und wenn man diese Diskussion mit der berühmten Debatte zwischen Bohr und Einstein vor rund 70 Jahren vergleicht, sehe ich Stephen in der Rolle von Bohr und mich in der von Einstein. Denn Einstein beharrte darauf, es müsse so etwas wie eine reale Welt geben, die nicht unbedingt durch eine Wellenfunktion dargestellt sein müsse, während Bohr betonte, die WellenÂfunkÂtion beschreibe keine „reale“ Mikrowelt, sondern nur „Wissen“, das für Vorhersagen nützlich sei. Bohr gilt als Sieger in diesem Streit. Tatsächlich hätte Einstein, folgt man der kürzlich erschienenen Einstein-Biographie von [Abraham] Pais, nach 1925 genausogut angeln gehen können. Zwar stimmt, daß er keine großen Fortschritte mehr machte, obwohl seine scharfsinnigen Einwände sehr nützlich waren. Ich glaube aber, der Grund, warum Einstein in der Quantentheorie nicht weiterhin GrundleÂgendes leistete, war, daß dieser Theorie eine entscheidende Komponente fehlte. .... Das Wesen von Raum und Zeit (The Nature of Space and Time), Stephen W. Hawking und Roger Penrose, 1996, Princeton University Press (deutscher Auszug, Spektrum der Wissenschaft) Keplersche Gesetze, die von J. [Johannes] Kepler [1571 - 1630] aus dem von T. Brahe stammenden Beobachtungsmaterial hergeleiteten drei Gesetze der Planetenbewegung: 1. Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen (Kepler-Ellipsen), in deren einem Brennpunkt die Sonne steht. 2. Die von der Sonne zu einem Planeten gezogene Verbindungslinie (Fahrstrahl) überstreicht in gleiÂchen Zeiten gleiche Flächen (Flächensatz). 3. Die Quadrate der Umlaufzeiten der Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen der großen Halbachsen ihrer Bahnellipsen. Die Keplerschen Gesetze gelten nur näherungsweise. Sie wären nur dann exakt gültig, wenn die Massen der Planeten gegenüber der Sonnenmasse als vernachlässigbar klein betrachtet und die Anziehungskräfte der Planeten untereinander vernachlässigt werden könnten. Meyers großes Taschenlexikon, Band 11, 1981
Newtonsches Gravitationsgesetz NEWTON (1643 - 1727) leitete aus den Keplerschen Gesetzen das Gravitationsgesetz (1666) k=G*m1m2/r² ab. Nach ihm ist die Kraft k, mit der sich zwei Massen m1 und m2 anziehen, ihrem ProÂdukt m1 * m2 direkt und dem Quadrat r² ihres Abstandes r umgekehrt proportional. Der ProportionaliÂtätsfaktor ist die Gravitationskonstante G = 6,674 * 10-8 cm3g-1s-2. Dieses Gesetz ist die Grundlage der Mechanik. NEWTON erkannte, daß die Schwerkraft der Erde ein Sonderfall der allgemeinen MasÂsenanziehung ist [gravitas lat. Schwere]. (Anmerkung: der Wert der Gravitationskonstante weicht heute von obigem Wert etwas ab) Kleine Enzyklopädie NATUR, Leipzig 1971
Newtonsche Axiome von Sir I. [Isaac] Newton zusammengestellte Grundgesetze der Mechanik: 1. Ursache der Beschleunigung eines Körpers ist eine auf ihn einwirkende Kraft, d.h. jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen, geradlinigen Bewegung, solange keine Kräfte auf ihn einwirken (Trägheitsgesetz). 2. Die Bewegungsänderung (Beschleunigung) eines Körpers ist der einwirkenden Kraft proportional und ihr gleichgerichtet (dynam. Grundgesetz). 3. Die Wirkung ist stets gleich der Gegenwirkung (actio = reactio), d. h., übt ein Körper A auf einen Körper B eine Kraft F1 aus, so übt stets auch der Körper B auf den Körper A eine Kraft F2 aus, die von gleichem Betrage, aber entgegengesetzter Richtung ist, F1 = -F2 (Reaktions-, Gegenwirkungs- oder Wechselwirkungsprinzip, Newtonsches Wechselwirkungsgesetz). Meyers großes Taschenlexikon, Band 15, 1981
Hume, 1) David, berühmter skeptischer Philosoph und klassischer Geschichtsschreiber Englands, geb. 26. April 1711 zu Edinburgh, ..., wo er 25. Aug. 1776 starb. H. geht in der Philosophie unmittelbar von dem Locke-Baconschen Standpunkt aus. Alle unsre VorÂstellungen sind nach ihm teils Impressionen, d. h. sinnliche Empfindungen, teils Begriffe oder sogen. Ideen; letztere sind nur Kopien der ersteren und als solche weniger stark und lebhaft. Alle GegenÂstände der Vernunft und menschlichen Erkenntnis sind somit entweder Beziehungen der Begriffe, wie die mathematischen Sätze, oder Thatsachen der Erfahrung. Unsre Überzeugung von Thatsachen und unser Räsonnement über dieselben, durch welches wir die Grenze der Sinneswahrnehmung überÂschreiten, beruht auf Empfindung, Gedächtnis und den Schlüssen aus dem Kausalnexus, d. h. dem Verhältnis von Ursache und Wirkung. Die Kenntnis dieser Kausalverbindung und Wirkung entsteht nicht aus Schlüssen a priori, sondern letzlich aus der Erfahrung, und wir schließen, indem wir ähnliÂche Folgen von ähnlichen Ursachen erwarten, aus dem Prinzip der Gewohnheit der Verknüpfung verschiedener Erscheinungen, d. h. aus dem Prinzip der Association der Vorstellungen. Es gibt daher keine Kenntnis außer der Erfahrung, keine Metaphysik. Nur zufolge der Erfahrung glauben wir an Dinge außer uns selbst; da aber die Sinne täuschen, so kennen wir nur unsre Vorstellungen von den Dingen, nicht die Dinge selbst. Das weiteste Feld findet daher Humes Skeptizismus bei Behandlung der Begriffe Freiheit, Notwendigkeit, Unsterblichkeit und der Beweise vom Dasein Gottes. Als Motiv der sittlichen Handlungsweise nahm er einen Instinkt, ein subjektives, aber vielleicht der Täuschung unterworfenes moralisches Gefühl an. ... Meyer´s Konversations-Lexikon, vierte Auflage, Leipzig und Wien, Bibliographisches Institut, Band 8, 1890
Induktion[lat. >Hinführung<, >Einführung<] 1) Biologie: die Auslösung eines Vorganges ... oder eines Entwicklungsvorganges... 2) Elektrizitätslehre: a)Das Induktionsgesetz von M. Faraday (1831/32) lautet: An den Enden einer Leiterschleife (Spule) entsteht eine elektr. Spannung ...., solange sich der magnetische Fluß ändert.... b) magnetische Induktion ... 3) Logik: die Verfahren, die von Aussagen über einen oder wenige Fälle einer Gesamtheit zu AusÂsagen über alle Fälle der Gesamtheit führen, heute als Teil der reduktiven Logik betrachtet. In der Mathematik kann durch die vollständige I. ein zwingender zuverlässiger ® Beweis geführt werden(vgl. 4). In den empirischen Wissenschaften ist dagegen nur die unvollständige I. möglich; sie schreibt den ungeprüften Fällen oder Gegenständen eines gewissen Bereichs hypothetisch eine Eigenschaft zu, die sich bei den geprüften Fällen ausnahmslos bewährt hat. Den so begründeten Aussagen kommt daher nur ® Wahrscheinlichkeit zu. Die heutige mathemat. Logik hat sehr zahlreiche, in ihren DeuÂtungen oft unvereinbare induktive Verfahren entwickelt. R. Carnap hat ein unendliches System indukÂtiver Methoden angegeben, in dem jede Methode durch einen Parameter charakterisiert ist. Ob überÂhaupt eine induktive Logik mit exakten Regeln möglich ist, ist strittig. Gegensatz ist die ® Deduktion. ... 4) Mathematik: Vollständige I. nennt man folgende sehr fruchtbare Beweismethode für Sätze über die natürlichen Zahlen 1,2,3, ...: Wenn eine Eigenschaft als richtig für die Zahl 1 erkannt ist und man aus der Voraussetzung, daß sie für die natürliche Zahl n gelte, mit Hilfe bereits bewiesener Sätze ableiten kann, daß sie dann auch für die Zahl n+1 richtig ist, haben alle natürlichen Zahlen diese Eigenschaft. Daß dieses Beweisprinzip richtig ist, kann man darauf zurückführen, daß jede ® Menge natürlicher Zahlen ein erstes Element besitzt. Die Mengenlehre erweitert diese Beweismethode zur transfiniten I. Beispiel: Die für alle natürlichen Zahlen zu beweisende Eigenschaft sei n² >= n, d.h. n² ist eine Zahl größer oder zumindest gleich n. Die Verankerung der I. bei n=1 ist richtig, denn 1² = 1 >= 1. Die Induktionsannahme sei n² >= n. Aus ihr folgt wegen (n+1)² = n² + 2n + 1, daß (n+1)² >= n + 2n +1 ist. Aus 3n+1 >= n+1 folgt die behauptete Eigenschaft für die Zahl n+1, nämlich (n+1)² >= n+1, also nach obigem Beweisprinzip für alle natürlichen Zahlen. Brockhaus Enzyklopädie, Band 9, 17. Auflage (1970)
Induktion (lat. >>Einführung, Überleitung<<), in der Logik das Verfahren, von dem Besondern auf das Allgemeine zu schließen oder Merkmale, die man an einzelnen Dingen einer Art und Gattung findet, auf alle Dinge derselben Art und Gattung zu übertragen. Während die strengen Schlüsse, SylÂlogismen (Vernunftschluß, in der Syllogistik ein gültiger logischer Schluß, der von zwei Prämissen mittels des syllogist. Verfahrens herbeigeführt wird) im engern Sinn, welche vom allgemeinen auf das ihm untergeordnete Besondere gehen, apodiktische Gewißheit geben, sobald nur die Prämissen richÂtig sind, kann die I. in der Regel nur Wahrscheinlichkeiten gewähren. In der syllogistischen SchlußÂfolge: >>Alle Menschen sind sterblich, Cajus ist ein Mensch, folglich ist Cajus sterblich<<, ist der letzte Satz apodiktisch gewiß, sobald nur der erste und der zweite richtig sind. Dagegen kann man auf dem Weg der I. darauf, daß die bis jetzt beobachteten Bewegungen der Himmelskörper nach dem Gesetz der Gravitation vor sich gehen, nur mit Wahrscheinlichkeit folgern, daß alle BewegunÂgen von Himmelskörpern nach diesem Gesetz erfolgen. Je größer die Zahl der übereinstimmenden Fälle ist, aus welchen man eine I. auf das allgemeine macht, desto mehr nähert sich beim Schluß auf das Ganze die Wahrscheinlichkeit der Gewißheit. So ist obiger Schluß, daß alle Himmelskörper nach dem Gesetz der Gravitation sich bewegen, viel sicherer als die Folgerung, daß, weil die Erde bewohnt ist, auch die übrigen Planeten bewohnt seien. Nur dann, wenn die einzelnen Fälle, von denen man den Schluß auf die ganze Gattung macht, vollständig und übereinstimmend sind, könÂnen auch die Induktionsschlüsse auf volle Gewißheit Anspruch machen; eine solche I. nennt man eine vollständige. Die Obersätze von Syllogismen sind, sobald sie sich auf Erfahrungsdinge beziehen, erst aus solchen vollständigen Induktionen abgeleitet; z.B. der Satz: >>Alle Menschen sind sterbÂlich<< behält nur dadurch seine Wahrheit, daß alle Menschen auch wirklich gestorben sind. Da es sich in den Naturwissenschaften um lauter Erfahrungssätze handelt, so leuchtet nach dem Gesagten ein, daß hier die I. der einzige Weg ist,zu allgemeineren Lehrsätzen zu gelangen. Darum nennt man diese Wissenschaft induktive. Eine wissenschaftliche Methode, die sich ausschließlich auf I. gründet, nennt man ebenfalls induktiv oder induktorisch. Die induktorische Methode hat bis jetzt in England ihre eifÂrigsten und glücklichsten Bearbeiter gehabt. Ein System derselben gibt J. Stuart Mills „System of logic“ (deutsch unter dem Titel: „Die induktive Logik“ von Schiel, 3. Aufl., Braunschw. 1868); Apelt, Theorie der I. (Leipz., 1854). Meyer´s Konversations-Lexikon, Band 9, dritte Auflage, Leipzig 1876
Bertrand Russell (1872 - 1970), Einführung in die mathematische Philosophie (1919): Die drei Grundbegriffe in Peanos (1858 - 1932) Arithmetik sind: 0, Zahl, Nachfolger. ... Die fünf Grundsätze von Peano lauten: 1 0 ist eine Zahl 2 Der Nachfolger irgend einer Zahl ist eine Zahl 3 Es gibt nicht zwei Zahlen mit demselben Nachfolger 4 0 ist nicht der Nachfolger irgend einer Zahl 5 Jede Eigenschaft der 0, die auch der Nachfolger jeder Zahl mit dieser Eigenschaft besitzt, kommt allen Zahlen zu. Der letzte Satz ist das Prinzip der mathematischen Induktion. ... ... die Theorie der natürlichen Zahlen aus diesen drei Begriffen und fünf Sätzen folgt....
Die Verwendung der mathematischen Induktion bei Beweisen war in der Vergangenheit eine Art MyÂsterium. Man konnte scheinbar keinen ernsten Zweifel an der Gültigkeit dieser Beweismethode hegen. Aber niemand wußte, warum sie gültig war. Manche glaubten, sie sei ein Spezialfall der Induktion im logischen Sinn. Poincaré (1854 - 1912) hielt sie für ein Prinzip von größter Wichtigkeit, durch das man eine unendliche Zahl von Syllogismen in ein einziges Argument zusammenziehen könne. Wir wissen heute, daß all diese Betrachtungen irrtümlich sind. Die mathematische Induktion ist eine Definition und kein Prinzip. ... Die mathematische Induktion bringt besonders deutlich den wesentlichen Unterschied des Endlichen vom Unendlichen zum Ausdruck. Das Prinzip der mathematischen Induktion läßt sich populär ungeÂfähr so aussprechen: was vom Einen auf das Nächste geschlossen werden kann, das kann auch vom Ersten auf das Letzte geschlossen werden. Dies gilt, wenn die Zahl der Schritte zwischen dem ersten und letzten endlich ist, im anderen Fall nicht. Wer jemals gesehen hat, wie ein Güterzug zu fahren anfängt, wird beobachtet haben, wie der Anstoß mit einem Ruck von einem Wagen zum nächsten geht, bis zuletzt auch der hinterste Wagen läuft. Wenn der Zug sehr lang ist , dauert es auch sehr lange, bevor der letzte Wagen sich bewegt. Wenn der Zug aber unendlich lang wäre, so gäbe es eine unendliche Folge von Stößen, und nie würde der ganze Zug in Bewegung sein. Hätte man eine Folge von Wagen, die nicht länger ist als die Folge der induktiven Zahlen (wie wir später sehen werden, ist dies ein Beispiel für die kleinste unter den unendlich großen Zahlen), so würde jeder Wagen früher oder später anfangen, sich zu bewegen, wenn die Maschine fortwähend zieht. Aber es gäbe noch immer weiter hinten befindliche Wagen, die sich noch bewegen. Dieses Bild hilft uns den Schluß von dem „Einen zum Nächsten“ und seinen Zusammenhang mit der Endlichkeit zu illustrieren.
Karl Popper Lesebuch „Er (Popper) erkannte, daß es die Falsifizierbarkeit wissenschaftlicher Hypothesen ist, auf die es ankommt, und mehr noch darauf, daß Wissenschaftler es sich zur Aufgabe machen, ihre Hypothesen dem Risiko der Falsifizierung auszusetzen. So erkannte Popper die entscheidende Rolle negativer Argumente in der Wissenschaft, wie auch die Entbehrlichkeit von Argumenten und Experimenten, die zur Stütze von Hypothesen dienen sollen. Dabei löste er das Humesche Induktionsproblem, eines der lästigsten Rätsel der modernen Philosophie und eines der wenigen, so meine ich, das nunmehr endÂgültig geklärt ist. ...“ (Einleitung des Herausgebers David Miller, S X).
Welteneinteilung Poppers (Text 4): · 1. Welt: physikalische Gegenstände oder Zustände (materielle Welt) · 2. Welt: geistige oder Bewußtseinszustände oder Verhaltensdispositionen · 3. Welt: objektive (von der 1. und 2. Welt mehr oder weniger? unabhängige) Gedankeninhalte, Theorien, Ideen, „wissenschaftliche“? und „dichterische Gedanken und Kunstwerke“ - „Menschenwerk und veränderlich“, „wahre, offene und falsche Theorien, Probleme, Vermutungen und Widerlegungen“.
„... behaupte ich, unser Problem sei, bessere und kühnere Theorien zu finden, nicht der Glaube zähle, sondern die kritische Bevorzugung.“
„... wichtigste Bewohner der dritten Welt sind die kritischen Argumente und der Stand einer kritischen Auseinandersetzung“
„sehr viel wichtiger als die Untersuchung der Erzeugung ist die Untersuchung der Erzeugnisse...“
Problem1 --> Vorläufige Theorie --> Fehlerbeseitigung --> Problem2 ... (Fehlerbeseitung durch systeÂmatische rationale Kritik).
Anfänge des Rationalismus (Text 1): „... die Bedeutung von Beobachtungen und Experimenten hängt gänzlich von der Frage ab, ob sie dazu benutzt werden dürfen, um bestehende Theorien zu kritisieren. Nach der hier umrissenen TheoÂrie der Erkenntnis kann man die Überlegenheit einer Theorie gegenüber einer anderen hauptsächlich nach folgenden Gesichtspunkten beurteilen: ob sie mehr erklärt; ob sie gründlicher überprüft ist, d.h. ob man über sie ernsthafter und kritischer diskutiert hat ...“ (S.9/10). „Unsere Versuche, Wissen über unsere Welt zu erlangen, enthalten nur ein einziges rationales EleÂment: die kritische Prüfung unserer Theorien. Die Theorien selbst sind Versuche, die Lösung unseres Problems zu erraten: bestenfalls eine Vermutung. ...“ (S.10) „... der Fortschritt des Wissens besteht aus Vermutungen und Widerlegungen.“ (S.10) „... Bacons Mythos der Induktion ...“ - „... daß es kein induktives Erkenntnisverfahren gibt ...“
Problem der Induktion (Text 7): „Das logische Problem der Induktion entspringt · a) aus der Entdeckung Humes, daß es unmöglich ist, ein Gesetz durch Beobachtung oder ExperiÂment zu rechtfertigen, da es die >>Erfahrung transzendiert<<, · b) aus der Tatsache, daß die Wissenschaft >>immer und überall<< Gesetze aufstellt und anwenÂdet. ... · Dazu müssen wir noch ergänzen c) das Prinzip des Empirismus, das behauptet, daß in der WisÂsenschaft nur Beobachtung und Experiment über die Annahme oder Ablehnung von wissenschaftÂlichen Sätzen, einschließlich Gesetzen und Theorien, entscheiden dürfen. Diese drei Prinzipien a), b) und c) scheinen auf den ersten Blick einander zu widersprechen. Und dieser Widerspruch bildet das logische Problem der Induktion .“ (S.85) ... In Wirklichkeit besteht aber zwischen den drei Prinzipien kein Widerspruch. Wir begreifen das sofort, wenn wir uns klarmachen, daß die Wissenschaft ein Naturgesetz immer nur vorläufig akzeptiert; ...(Hypothetizismus) und daß wir ein Gesetz oder eine Theorie aufgrund von neuen Tatsachen verÂwerfen können, ohne deshalb die alten Tatsachen aufgeben zu müssen, ...(S. 86)... Solange eine Theorie die schwersten Prüfungen besteht, die wir uns ausdenken können, wird sie akzeptiert; wenn nicht, wird sie verworfen. Aber sie wird niemals, in irgendeinem Sinn, aus empiriÂschen Tatsachen abgeleitet. Es gibt weder eine psychologische noch eine logische Induktion. Nur die Falschheit einer Theorie kann aus empirischen Tatsachen abgeleitet werden, und diese Ableitung ist rein deduktiv.(S. 86)... Das ist die Lösung des angeblichen Widerspruchs zwischen den Prinzipien a), b) und c) und damit auch die Lösung von Humes Induktionsproblem.“ (S.86)
„Typische Beispiele für zugleich traditionelle und schlechte Formulierungen des Induktionsproblems sind die folgenden. Was ist die Rechtfertigung für die Überzeugung, daß die Zukunft der Vergangenheit gleichen wird? Was ist die Rechtfertigung für sogenannte induktive Schlüsse? Mit einem induktiven Schluß meint man hier einen Schluß aus wiederholt beobachteten Fällen auf einige vorerst unbeobachtete Fälle“ [vergangen oder zukünftig]. (S.87)
... „obwohl Hume gleichzeitig und in scharfem Gegensatz zu mir an die psychologische Macht der Induktion glaubte; nicht als ein logisch zulässiges Verfahren, sondern als ein Verfahren, das Tiere und Menschen tatsächlich und aus biologischer Notwendigkeit erfolgreich verwenden.“ (S.87)
... „eine solche Forderung [nach Rechtfertigung] ist unkritisch, weil sie blind für die Möglichkeit ist, daß die Induktion in jeder Hinsicht unhaltbar und daher nicht zu rechtfertigen ist. ... Die Überzeugung, daß wir Induktionen verwenden, ist einfach ein Irrtum. Sie ist eine Art optischer Täuschung. Was wir tatsächlich verwenden, ist eine Methode von Versuch und Fehlerausmerzung; wie immer täuschend ähnlich diese Methode der Induktion sehen mag, ihre logische Struktur, wenn wir sie genau untersuchen, ist von derjenigen der Induktion vollkommen verschieden.“ (S.88)
... „wie ich es nenne, den Vermutungscharakter der menschlichen Erkenntnis.“ (S. 88)
... „der besten Art der menschlichen Erkenntnis..., der wissenschaftlichen Erkenntnis.“ (S.88)
Beispiel: Newtonsche Mechanik, abgelöst durch Einsteins Theorie bzw. Quantentheorie, somit „eine merkwürdig erfolgreiche Hypothese, und eine verblüffend gute Annäherung an die Wahrheit“. (S.89)
„Ich halte sehr viel vom Alltagsverstand. ... Der erste [Teil der Weltsicht] ist der Realismus des AllÂtagsverstandes; das ist die Ansicht, daß es eine wirkliche Welt gibt, die wirkliche Menschen, Tiere ... enthält.“ ... „Ein ganz anderer Teil ... ist die Erkenntnistheorie des Alltagsverstandes.... Unsere Sinne sind die wichtigsten, wenn nicht die einzigen, Quellen unserer Erkenntnis. Diese zweite Ansicht betrachte ich als völlig falsch...“ (S.90)
Problem sonst: die einzig gewissen Elemente der Erkenntnis sind Empfindungen. („Idealismus“) (S.90/91)
„Die beiden Induktionsprobleme Humes waren also: 1) Das logische Problem: Ist es vernünftigerweise gerechtfertigt, von wiederholten Einzelfällen, von denen wir Erfahrungswissen haben, auf Fälle zu schließen, von denen wir kein ErfahÂrungswissen haben?“ (Antwort Humes: nein!, auch wenn statt Gewißheit nur Wahrscheinlichkeit gefordert wird). „2:) ... Wie kommt es, daß trotzdem alle vernünftigen Menschen erwarten und glauben, daß Fälle, von denen sie kein Erfahrungswissen haben, jenen entsprechen werden, von denen sie Erfahrungswissen haben?“ (Antwort Humes: Aus Gebrauch, Gewohnheit, anziehender Macht des Assoziativgesetzes) „Meine (Poppers) Ansicht ist, daß Humes Antwort auf das logische Problem richtig ist und daß seine Antwort auf das psychologische Problem trotz ihrer Überzeugungskraft ganz falsch ist.“ (S.92)
„... so schreibt Russell ...>>... ob es im Rahmen einer ganz oder teilweise empiristischen Philosophie eine Antwort auf Hume gibt. Wenn nicht, dann gibt es keinen erkenntnistheoretischen Unterschied zwischen Vernunft und Wahnsinn. ...<< " (S.93)
Poppersche Neuformulierung: „Ist es vernünftigerweise gerechtfertigt, von Fällen oder Gegenbeispielen, von denen wir Erfahrungswissen haben, auf die Wahrheit oder Falschheit der entsprechenden Gesetze zu schließen oder auf Fälle, von denen wir kein Erfahrungswissen haben?“ (S.95) ... Die Induktion ist logisch unhaltbar; aber die Widerlegung oder Falsifizierung ist ein logisch zulässiÂger Weg, von einem einzigen Gegenbeispiel auf das entsprechende Gesetz zu schließen.“ (S.95)
[wir können eine] „logische Theorie der Bevorzugung erstellen““ (S.96) „Was die Theorien des Wissenschaftlers und des Wahnsinnigen gemeinsam haben, ist, daß beide dem Vermutungswissen angehören. Aber es gibt Vermutungen, die viel besser sind als andere; ...“ (S.96)
„Wir wollen neue und interessante Wahrheit. So gelangen wir zu der Idee des Wachstums des inforÂmativen Gehalts, und besonders des Wahrheitsgehalts....“ (S.97)
„Du sollst kühne Theorien mit großem informativen Gehalt ausprobieren und anstreben; und dann laß diese kühnen Theorien konkurrieren, indem du sie kritisch diskutierst und strengen Prüfungen unterÂziehst.“ (S.97)
„Diese bevorzugten Vermutungen sind das Resultat der Auslese, des Kampfes um das Überleben der Hypothesen unter dem Druck der Kritik, die einen künstlich erzeugten Auslesedruck darstellt.“ („Darwinisches Verfahren der Selektion von Überzeugungen und Handlungen“): (S.98)
„Das führt uns zu den pragmatischen Problemen der Induktion“: „1) Auf welche Theorien sollten wir uns von einem rationalen Standpunkt aus für das praktische HanÂdeln verlassen?“ (Antwort Poppers: auf keine) „2.) Welche Theorie sollten wir von einem rationalen Standpunkt aus für das praktische Handeln bevorzugen?“ (Antwort Poppers: die bestgeprüfte) (S.99)
Michael Schmidt, POSITVISMUS ODER POSTPOSITIVISMUS?, The Poppers Newsletter (4) ½: „... Zunächst die Annahme, es gäbe Induktionen und daraus folgend die Möglichkeit, die EigenstänÂdigkeit theoretischer Formulierungen gegenüber empirischen Daten zu leugnen. Wenn eine der Popperschen Leistungen die Zeiten überdauern sollte, dann ist es die Kritik am Induktivismus. Es kann keinerlei Zweifel geben, daß es in der Popperschen Methodologie der theoretischen WissenÂschaften keinen gültigen Modus induktiven Schließens gibt, womit auch alle jene Forderungen entfalÂlen, die von der gegenteiligen Auffassung ausgehen mögen. Damit ist die Autonomie theoretischen Denkens gegenüber jeder noch so umfangreichen ´empirischen Basis´ bestätigt und die beständige Betonung Poppers, der Erkenntnisfortschritt bedürfe einer kühnen, die Beschränkungen jeder empiriÂschen Vorinformation übersteigenden theoretischen Fantasie, verständlich. ...“ |